»Sisters« von Raina Telgemeier
In ihrem Comic »Smile« berichtete uns Raina Telgemeier über ihre Erfahrungen mit der Zahnspange, die sie als Teenagerin trug. In »Sisters« wird der Fokus auf die Beziehung zu ihrer jüngeren Schwester Amara gelegt, denn es gab eine Phase, in der sich die beiden alles andere als geschwisterlich verhalten haben. Ich wollte »Sisters« unbedingt lesen, weil ich »Smile« toll fand und mir die Comic-Raina inzwischen ans Herz gewachsen ist.
In »Smile« war bereits deutlich zu erkennen, dass Raina und Amara oft aneinandergeraten. Die beiden Mädchen sind keine Geschwister, die jede freie Minute miteinander verbringen und sich in allem einig sind. Ganz im Gegenteil – sie gehen ihren eigenen Interessen nach und versuchen, sich nicht in die Quere zu kommen. Doch da sie unter dem gleichen Dach leben, stoßen sie zwangsläufig aufeinander. Diese Konflikte, die anfänglich für Raina unverständlich sind, werden durch geschickt eingeflochtene Rückblenden veranschaulicht. Telgemeier nutzt dabei die visuelle Darstellung in gelber Farbe, um die Rückblicke von der eigentlichen Handlung abzugrenzen.
Die Rückblenden erstrecken sich über mehrere Jahre und zeichnen auf eindrucksvolle Weise die Entwicklung der Beziehung zwischen Raina und Amara nach. Hier wird deutlich, dass ihre Geschwisterbeziehung von Anfang an anders verlief, als Raina es sich erträumt hatte. Die Handlung wird zusätzlich verkompliziert, als ihr Bruder Will geboren wird. Telgemeier integriert geschickt die Herausforderungen, die diese Familienveränderung mit sich bringt. Die Sorgen und Probleme der Eltern werden subtil im Hintergrund eingeflochten, sodass sie erst bei genauerem Hinsehen erkennbar sind.
Die Dynamik zwischen Raina, Amara und Will erreicht einen Höhepunkt, als sie mit ihrer Mutter zu einem Familientreffen unterwegs sind und somit mehrere Tage auf engstem Raum miteinander verbringen müssen. In dieser Situation kochen die unterdrückten Konflikte und unausgesprochenen Probleme hoch. Die Familienreise sorgt für eine Vielzahl von emotionalen Momenten, die sowohl positiv als auch etwas weniger harmonisch sind. Was mich besonders beeindruckt, ist die Art und Weise, wie Telgemeier mit dieser emotionalen Achterbahn umgeht. Der Humor, den ich bereits in »Smile« schätzte, ist auch hier allgegenwärtig. Es gelingt ihr, selbst in den emotional aufgeladenen Szenen eine ordentliche Portion Humor einzubringen, der die Geschichte leicht und zugänglich hält. Dabei beweist die Autorin erneut ihr Fingerspitzengefühl im Umgang mit den komplexen Facetten menschlicher Beziehungen.
Eine angenehme Überraschung sind die echten Familienfotos, die am Ende des Comics präsentiert werden. Diese Fotos unterstreichen den autobiografischen Charakter des Werkes und zeigen die realen Menschen hinter den im Cartoon-Style gezeichneten Figuren. Diese persönliche Note verstärkt die Authentizität des Comics und verleiht den Charakteren eine zusätzliche Dimension. Man bekommt einen Blick hinter die Kulissen, was die Leseerfahrung noch bereichernder macht und die Verbindung zu den Figuren vertieft.
Fazit
In »Sisters« von Raina Telgemeier wird auf beeindruckende Weise die Komplexität von Geschwisterbeziehungen darstellt. Die gelungene Mischung aus humorvollen Momenten, nachdenklichen Rückblenden und subtilen Familienproblemen macht diesen Comic zu einer fesselnden Lektüre, die Menschen jeden Alters anspricht.
Bibliografie
Titel: Sisters
Autorin: Raina Telgemeier
Zeichnungen: Raina Telgemeier
Farben: Braden Lamb
Übersetzung: Ann Lecker
Verlag: Loewe Graphix
ISBN: 978-3-7432-0994-7
Seiten: 208
Altersempfehlung: ab 10 Jahren
Voriger Band: Smile
Nächster Band: Bauchgefühle
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